Mittwoch, 25. Oktober 2006

Paella und Party

Die neue Wohnung teile ich mir mit Giuseppe aus Italien, Hector aus Alcoy und Amu aus Cardiff und meistens noch deren Freund Jordi aus Cullera. Obwohl das Zimmer winzig ist, wir kein Internet hatten und alles eher studentisch bis spartanisch eingerichtet ist, fühle ich mich seit dem ersten Tag hier pudelwohl. Amu nimmt mich überall hin mit, teilt alle ihre Freunde mit mir, zeigt mir die Stadt und bringt mir die spanischen Namen aller Lebensmittel und Gewürze bei, die ihr Freund Connor dann mit mir auf dem Mercado Central einkaufen geht. Das Bier in der nächsten Kneipe kostet übrigens 50 Cent, eine wirklich gute Flasche Wein bei Mercadona 3 Euro.
Ein- bis zweimal die Woche gibt’s seitdem den für mich typischen spanischen Tag: nachmittags um 3 wird Paella gekocht mit mindestens 4 Personen. Dazu gibt’s ein Gläschen Wein oder zwei, während des Kochens das ein oder andere Bier, danach Aqua de Valencia (Orangensaft, Sekt, Cointreau, Zucker und Gin oder Wodka) oder ein „Käffchen“ zur Verdauung... dazu erhitzen wir Rum mit Zucker auf dem Herd bis es karamellisiert oder zünden gleich den Rum im Topf an und gießen Espresso dazu. Währenddessen reden alle möglichst laut durcheinander, aber das ergibt sich wie von selbst... Entsprechend vorbereitet schwankt man dann in die Innenstadt El Carmen und rettet sich den abend über (ja, auf einmal ists dann immer schon 21 Uhr) von einer Tapas-Bar in die nächste Kneipe. Morgens zwischen 3 und 6 Uhr vor der eigenen Haustür fragt man sich dann, wo eigentlich die Zeit hin ist und wieso man gleich schon wieder zur Arbeit oder an die Uni gehen soll... oder stellt fest, dass Wochenende ist und öffnet noch mal schnell die Minibar zu Hause ;o) Das Wort Absacker gibt’s im Spanischen übrigens nicht, hier gibt’s wohl immer einen nächsten...

Die ersten beiden Wochen in Spanien

Die neue WG hatte keine Ahnung von meiner Ankunft, zeigte sich aber flexibel und half mir beim Einzug, reichte mir Bier, das ich dank meines Durstes runterexte, und entschuldigte sich tausendfach für den Zustand der Wohnung, die bis unters Dach mit Punks, Müll und unindentifizierbaren „Kunstgegenständen“ gefüllt war. Was mich nicht so sehr störte wie der Zustand meines möbliert angemieteten Zimmers: Müll und eine Matratze, keine weiteren Möbel. Als mein Auto mehr oder weniger ausgeladen war, war das Zimmer denn auch bis unters Dach voll, der französische Balkon konnte eben noch geöffnet werden und die Matratze stank nach Patchouli. Die Kirchenglocken des ca. 20m entfernten Turms der Kathedrale bimmelten alle 15 Minuten (manchmal auch alle 5), von den lärmenden Kids beim Botellon auf der Straße ganz zu schweigen... oder der Person, die mir noch in derselben Nacht das Auto aufbrach, zum Glück ohne etwas zu stehlen. Zum Glück war so viel Betrieb auf der Straße, grmpf.
Nach zwei Tagen hielt ich es nicht mehr aus und fuhr früher als vereinbart los nach Granada, um Maribel und Ingo zu treffen und eine Woche, aus der dann fast zwei wurden, Urlaub in Tarifa/Zahara de los Atunes zu machen.
Von dort aus konnte ich dann dank Schnien und ihrem Bekannten Giuseppe meinen Umzug organisieren, mir nach 10 Stunden Rückfahrt kurz das neue Zimmer im Studentenviertel Benimaclet anschauen, ne Nacht drüber schlafen und am Folgetag mit Sack und Pack die Bleibe wechseln. Dazu musste ich erstmal mein Auto wiederbeschaffen, das am morgen, dem ersten Unitag, nicht mehr an der Stelle aufzufinden war, wo ich es am Vorabend geparkt hatte. Ein Besuch bei der Policia Local de Valencia klärte den Sachverhalt: Markttag. Trotz Parkticket, das mich 1,50 Euro gekostet hatte und bis 10 Uhr Montag morgen gültig war, hatte man mein Auto um 8 Uhr abgeschleppt... zum Glück war die Polizei dann so nett, alles für mich zu klären und mich schließlich sogar ne halbe Stunde durch die Stadt zu meinem Auto zu fahren... zu dritt unangeschnallt im Auto falschrum durch eine Einbahnstraße, lachend. Das Lachen verging mir dann bei der Auslöse: 130 Euro Strafe und Abschleppgebühren. Seit meinem Umzug steht das Auto übrigens gegenüber meines Balkons, unangetastet. Bin ich in Berlin vom ersten Tag an jede erdenkliche Strecke mit dem Auto gefahren, habe ich vor Valencia ehrlich Respekt: dank unzähliger Einbahnstraßen kann man vermutlich sein Ziel nur ringförmig einkreisen... die erste Wohnung befindet sich in der Fußgängerzone, was ich vorher nicht wusste und mich 2 Stunden kostete und die zweite so nah an der Autobahn, dass ich 1,5 Stunden brauchte um einmal rechtzeitig abzubiegen.

"Stromausfall"

Die Puente steht vor der Tür: Brückentag, in Spanien ein ganz großes Thema, verstopfte Autobahnen und in der ganzen Stadt Menschen mit Koffern sind an der Tagesordnung. Als ich von der Uni nach Hause komme, also nach einer Stunde in ner überfüllten Metro, geht das Licht im Flur nicht an, der Külschrank ist warm und mein Computer aus... Stromausfall. Ich rufe Giuseppe an, der nur lacht und sagt, dass wir seit 5 Jahren keinen Strom bezahlt haben. Super Info, und jetzt? Macht nix, fahren ja alle weg übers Wochenende. Ja, außer mir. Die anderen Erasmus-Studenten fahren nach Barca, irgendein Fest mit Riesenpaella. Die 100 Euro für Bus und Übernachtung in Barcelona übersteigen momentan mein Budget, da BAföG-Darlehen und Erasmus-Stipendium immer noch auf sich warten lassen... am dritten Tag ist dann alles organisiert: ich ziehe in die Wohnung von Jordi während er mit seiner Freundin und meiner Mitbewohnerin Amu für zwei Tage Urlaub in Murcia machen. Im Licht der Friedhofskerzen packe ich meine Sachen inklusive meiner Wäsche, da wir seit einer Woche auf die vom Wohnungseigentümer versprochene Waschmaschine warten, die unsere kaputte ersetzen soll... (in Spanien werden Wohnungen generell komplett eingerichtet vermietet) Zum Glück tastet Amu auf dem Weg zum Aufzug wie immer nach dem Lichtschalter – und die Wohnung erstrahlt im elektrischen Licht einer Glühbirne!
Die gleiche Geschichte ereignet sich übrigens ganze zwei Wochen später noch einmal: irgeneine Rechnungsnummer ist von der Bank nicht übermittelt worden, worauf Iberdrola kurzerhand noch mal die Leitungen kappt. Nachmittags um halb 3, während ich grade am Kochen bin. Ein Brief informiert uns angeblich vorab darüber, er erreicht gegen 12 Uhr am gleichen Tag unseren Briefkasten, wo wir ihn abends um 7 auffinden. Nachdem Hector und ich abwechselnd bei Iberdrola anrufen und die Sache nach ca. einer Stunde Servicehotline auch geklärt werden kann, schicken sie uns noch am selben abend einen Techniker, der das Problem beheben soll. Der findet den Schrank links von der Haustür nicht und geht wieder, anstatt bei uns zu klingeln und zu fragen. Am nächsten Tag geht das Spiel von vorne los. Anrufen, nerven, Techniker abwarten. Wir dekorieren das Treppenhaus und den Elektrikschrank mit Pfeilen und Briefen an den Techniker, in der Hoffnung er kann lesen... und es klappt. Jetzt ist der Kühlschrank schon wieder abgetaut, der Inhalt muss erneut entsorgt werden. Weiterer negativer Nebeneffekt: Das Badezimmer hat kein Fenster und daher auch kein Tageslicht. Duschen bei Kerzenlicht ist eine Sache, dass Kakerlaken das Bad bei Dunkelheit als ihren Lebensraum ansehen eine andere...

los gehts!

Auto durchgecheckt, etliche Teile ausgetauscht und yiiiiiieha! Viva Espana! Zwei Tage sind geplant, Übernachtung in Montpellier (statt Campingplatz dann doch nobel im Ibis mit Frühstück), 100 Euro Autobahngebühren, 250 Euro Diesel und zur Abwechslung lief endlich mal alles wie geplant. Wobei der Plan wohl eher für Berufsfahrer geeignet ist und von mir nicht weiterempfohlen werden kann... in Montpellier kam ich mit einer leichten Sehnenscheidenentzündung an und konnte den Arm nicht mehr bewegen, er lag fremd und reglos neben mir auf dem Bett, wo ich den abend über vor mich hin vegetierte und den schicken Pool im Garten Pool sein ließ.

Der Umzug

Gregor und Sebi sind endlich in Berlin angekommen und guter Dinge. Wir gehen erstmal um die Ecke zum Schwaben, Kässpätzle und Zwiebelrostbraten essen und betäuben unsere Angst vor der Schufterei mit einigen Tannenzäpfle, bevor wir schließlich im Pörx nach dem letzten Zäpfle-Absacker eine Art Bloody Mary ausgegeben bekommen und uns die letzten Meter bis in meine alte Wohnung schleppen. Vom nächsten Tag weiß ich schließlich gar nicht mehr wirklich viel zu erzählen... ich erinnere mich an unzählige Kisten, sinnlose Beschriftungen wie „ES“ für Esslingen und „ES“ für Spanien, endloses hin- und herpacken und –räumen, den Moment, in dem mir klar wurde dass ich völlig die Übersicht verloren hatte, nachdem jeder von uns dreien nach seinem eigenen System Stapel an Kram gebildet hatte... und die Erkenntnis im darauf folgenden Augenblick, dass ich jede Menge meiner Sachen werde entsorgen müssen, weil sie weder in eines der Autos noch in den Container passen würden. So stand dann auch der Kleiderschrank mitsamt Bürostuhl auf dem Hof (ich liebe Berlin!), woraufhin Gordon aus der Hinterhofwohnung anrief und fragte, ob er sich den Stuhl mitnehmen könne. Dann haben wir zigmal den Container ein- und ausgeräumt ohne dass sich groß was änderte... ich weiß im Moment noch nicht mal mehr, ob das einen oder zwei Tage so ging.
Am 17.07. waren dann beide Autos gepackt, die Bremsen am Escort nicht repariert und mit der Ladung auch nicht funktionsfähig... aber mit dem Okay des netten Typen bei Pitstop gings dann gegen halb 4 los Richtung Heimat. Gegen halb 8 hatten wir einen Zwischenstopp im Kurhaus meiner Mutter in Bad Steben eingeplant. Ich fuhr von der Autobahn ab und hielt an einer Bushaltestelle, um auf Gregor zu warten, den ich auf der Autobahn entnervt hinter mir lassen musste... 120 mit nem Auto das max. 140 fährt ist ne Quälerei. Ich rief meine Mutter an, sagte dass wir in der nächsten Viertelstunde einlaufen würden und schon konnte es losgehen – theoretisch. Der Escort regte sich nämlich gar nicht mehr, nicht mal das Klicken des Anlassers war mehr zu vernehmen... Die nächsten Stunden sind schnell erzählt: meine Mutter hat uns an der Bushaltestelle besucht, der ADAC auch mal wieder, die Lichtmaschine, die zwei Tage zuvor eingebaut worden war, hatte nie funktioniert und die Batterie war nach 300 km mit „Wir sind Helden“ ebenfalls leergefahren, wir übernachteten auf Kosten des ADAC im Hotel in Hof und am nächsten Morgen gings erst zur Werkstatt und dann weiter Richtung Frickenhausen...

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